Die Rolle und Bedeutung von Lebenskrisen und die damit verbundene Notwendigkeit der Seelsorge für und innerhalb eines Bekehrungsprozesses
(von Nele Kunkel)
Mein Name ist Nele Kunkel (geb. Scheer). 2016 schrieb ich in Friedensau kurz vor meiner Hochzeit und Namensänderung meine Masterthese mit dem Titel „Die Rolle und Bedeutung von Lebenskrisen und die damit verbundene Notwendigkeit der Seelsorge für uns innerhalb eines Bekehrungsprozesses“.
Krisen sind ein fester Bestandteil unseres Lebens. Mein Hauptanliegen bestand darin, die Bedeutung von Lebenskrisen, entweder ausgelöst durch die natürliche Entwicklung, oder verursacht durch schwere Schicksalsschläge, mit den Begriffen „Bekehrung“ und „Seelsorge“ in Zusammenhang zu bringen und die Auswirkungen aufeinander zu untersuchen.
Jeder muss sich früher oder später Situationen stellen, die überfordern und die eigenen Kräfte und Fähigkeiten übersteigen. Dabei bringt das chinesische Zeichen für Krise (weiji) die Dialektik des Krisengeschehens zum Ausdruck. Es besteht aus den zwei Zeichen für Gefahr und für Chance. Krisen sind demnach stets eine Gefahr für das bisherige Leben, aber bieten auch eine enorme Chance für Veränderung, die durchaus positiv genutzt werden kann. Meine Absicht war es, diese These in den Vorgang eines christlichen Bekehrungsprozesses einzubetten und zu fragen, welche Rolle und Bedeutung Lebenskrisen im Hinblick auf ihre Dialektik für eine Bekehrung haben können.
Dabei lautete meine These, die der Arbeit zugrunde liegt: Lebenskrisen können ein enormes Potenzial für Bekehrung bieten, sofern Menschen in Krisen durch christliche Seelsorge in ihrem Leid aufgefangen werden und sich dadurch dem christlichen Glauben zuwenden können. Insgesamt umschließt die Arbeit fünf Kapitel.
Im einleitenden Kapitel 1 widme ich mich der Definition der drei Kernbegriffen „Bekehrung(sprozess)“, „Lebenskrise“ und „Seelsorge“, um sie der Arbeit voranstellen zu können. Außerdem gewährleiste ich auch einen Einblick in die Problematik von Gottesbild und Theodizee-Frage.
In Kapitel 2 wird der Bekehrungsprozess unter biblischen, spirituellen und missionarischen Aspekten beleuchtet, die den individuellen Vorgang konkretisieren und die Schritte der Entscheidung aufzeigen.
Kapitel 3 beschäftigt sich daraufhin mit der Frage, wie Krisen unterschieden und kategorisiert werden können und wie sie in ihren unterschiedlichen Dimensionen eine Beziehung zu Gott fördern, aber auch gefährden können.
In Kapitel 4 werden die Erkenntnisse mit der Notwendigkeit der Seelsorge verknüpft und die Fragen thematisiert, wie in akuten Lebenskrisen Seelsorge von Pastoren und Gemeindegliedern gewährleistet werden kann.
Erst im abschließenden Kapitel 5 ziehe ich ein Fazit und beleuchte, welche Schlussfolgerungen sich daraus für den Umgang mit Menschen in Lebenskrisen ergeben und wie die einzeln betrachteten Fäden nur gemeinsam ein starkes Seil ergeben können.
Die Frage nach persönlichem Leid ist ein sehr subjektiver Ansatz, deswegen habe ich an vielen Stellen die adventistische Taufprozessstudie „ConVersion“ ausgewertet und eingebettet, die zwischen 2005 und 2009 vom Institut für kulturrelevante Kommunikation und Weiterbildung (IKU-Institut) mit Teilnehmern aus Deutschland und der Schweiz durchgeführt wurde. Die Studie umfasste einen 14-seitigen Fragebogen, der von insgesamt 913 Menschen vollständig ausgefüllt worden ist. Abgesehen von dieser adventistischen Studie, existieren auch eine evangelische Forschung, die sich der Frage „Wie finden Erwachsene zum Glauben?“ gestellt hat und zu eben dieser Fragestellung das Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung in Greifswald 2008 und 2009 eine interdisziplinäre empirische Studie durchgeführt hat. Die Daten dieser Studien haben mir ermöglicht, die Zusammenhänge nicht nur aus der Literatur zu verstehen, sondern auch empirisch nachweisen zu können.
So konnte ich in den fünf Kapiteln und nach 93 Seiten zu dem Schluss kommen, dass meiner zu Beginn formulierten These durchaus zugestimmt werden kann, die Bedeutung von Lebenskrisen allerdings relativiert werden muss. Zwar beinhalten Lebenskrisen ein enormes Potenzial im Hinblick auf eine mögliche Bekehrung, aber die empirischen Daten und Auswertungen haben auch gezeigt, dass wesentlich weniger Menschen ihren Bekehrungsprozess mit einem kritischen Lebensereignis verknüpfen, als eventuell angenommen werden könnte. In diesem Sinne muss auch die Bedeutung der Seelsorge relativiert werden, was allerdings nicht für betroffene Einzelfälle gilt. Denn ebenfalls empirisch wurde aufgezeigt, wie zentral die seelsorgerliche und emotionale Begleitung während des Bekehrungsprozesses ist, erst recht, wenn gleichzeitig kritische Lebensereignisse er- oder durchlebt werden. In diesem Sinne haben meine Ausführungen den engen Zusammenhang der drei Begriffe „Bekehrung“, „Lebenskrise“ und „Seelsorge“ aufgezeigt und ihre Relevanz im ekklesiologen Kontext an vielen Stellen betont. Diese Betonung führt zu der Vermutung, dass eine Stärkung im seelsorgerlichen Bereich auch eine Stärkung von Bekehrungen in Lebenskrisen vermuten lässt, gerade weil die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Komponenten so ausgeprägt sind.
Das ist gleichzeitig auch meine persönliche Haupterkenntnis gewesene. Denn obgleich es sich empirisch gesehen um einen kleineren Teil betroffener Menschen handelt, ist dennoch zu vermuten, dass es enorm viele Menschen in Lebenskrisen gibt, denen eventuell auf keine beschriebene Art und Weise geholfen wird und die sich gerade in ihrem Leid allein gelassen fühlen. Demnach schließt diese Erkenntnis auch eine Verantwortung ein, die jedem Christen innewohnt.
Krisen existieren und bieten ein enormes Potenzial, um festgefahrene Verhaltens- und Denkmuster aus einer anderen Perspektive betrachten zu können. Aus diesem Grund bleibt auch die Relevanz von Seelsorge uneingeschränkt bestehen, um dem Auftrag Gottes als Gemeinde gerecht werden zu können. Als Christen können wir diesen Auftrag wahrnehmen, indem wir aufmerksam und hilfsbereit füreinander da sind und unsere Aktivitäten und Angebote stets an den Bedürfnissen der Menschen um uns herum ausrichten, damit sie die Möglichkeit erhalten, Jesus Christus persönlich kennenzulernen. Meiner Meinung nach ist dieser Dienst an unserem Mitmenschen die Erfüllung von Jesu Auftrag: „Liebe Gott….und liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.“ (Mt 22,37+39)