In unserem Missionsinstitut ADIMIS führen wir umfassende Forschungen zu Themen durch, die das Leben unserer Freikirche betreffen. Kürzlich haben wir ein Forschungsprojekt abgeschlossen, bei dem wir Daten von etwa 45.000 Kirchenmitgliedern und 600 Gemeinden analysiert haben. Dabei konnten wir folgende Hauptstärken und Schwächen feststellen.
Über die allgemeinen Beobachtungen hinaus zeigen wir detailliert auf lokaler Gemeindeebene, welche Faktoren das Gemeindeleben prägen. Diese Analysen ermöglichen es, Prognosen für die nächsten zehn Jahre zu erstellen und Chancen zu identifizieren. Unser Ziel ist es nicht, Probleme zu suchen, sondern Möglichkeiten zu erkennen, da es davon noch viele gibt. Es besteht kein Grund zur Entmutigung, aber es ist klar, dass Handlungsbedarf besteht. Die Religiosität in Europa durchläuft einen radikalen Wandel, der auch uns betrifft.
Eine starke, aber alternde Mittelschicht – oft ohne „Frucht“
Unsere Kirche ist noch nicht überaltert; die 45- bis 65-Jährigen bilden das Rückgrat. Sie sind finanziell stabil und tragen wesentlich zur Erhaltung der Kirche bei. Dennoch haben sie es oft nicht geschafft, ihre Altersgenossen oder ihre eigenen Kinder für das Evangelium zu gewinnen. Sie wurden in einer konsumorientierten Kirche sozialisiert und nicht für Mission und Seelengewinnung ausgebildet. Obwohl viele motiviert sind, fehlt es an Erfahrung, Wissen und Ausbildung. Eine große Herausforderung besteht darin, diese Generation zu schulen, vorzubereiten und zu motivieren. Wenn sie in den Ruhestand gehen, könnte dies zu finanziellen und betrieblichen Krisen führen.
Mitgliederzahlen sinken weniger stark als bei Großkirchen
Verluste sind bei fast allen Kirchen zu verzeichnen, aber die Adventgemeinde ist derzeit weniger betroffen als die Großkirchen. Dies ist jedoch kein Trost, da die Auswirkungen von COVID-19 und die steigende Zahl der Abwesenden, insbesondere in benachteiligten Regionen, zunehmend spürbar sind. Die Pandemie führte durchschnittlich zu einem Verlust von 30 %.
Verluste werden nicht durch Neuzugänge ausgeglichen
Es gibt einen kontinuierlichen Rückgang, insbesondere dort, wo externe Faktoren (z. B. Migration, Umzüge von Adventisten) keinen Nachwuchs bringen. Besonders kritisch wird es, wenn altersbedingte Verluste zunehmen. Eine scheinbar bewährte Strategie, die Zusammenlegung von Gemeinden, verschärft die Situation, da dadurch die lokale Präsenz verschwindet und die Gemeinschaft sich von der Gesellschaft entfernt. Dies beschleunigt die Abwanderung. Es bedarf einfacher, lokaler Lösungen. Die Generalkonferenz hat in den letzten Jahren das Hausgemeindemodell intensiv diskutiert und offiziell anerkannt.
Austritte meist aufgrund von Integrationsproblemen
Etwa 33 % der jungen Erwachsenen verlassen die Kirche 4–8 Jahre nach der Taufe. Der Hauptgrund ist nicht der Glaubensabfall, sondern Schwierigkeiten bei der Integration, das Gefühl der Wertlosigkeit, Formalismus und Passivität. Es ist wichtig, junge Erwachsene gezielt zu integrieren und einzubeziehen.
Zunehmender Frauenanteil und gemischte Ehen
Es wird immer schwieriger, Männer für die Kirche zu gewinnen, während der wachsende Frauenanteil zu mehr gemischten Ehen führt. Personen in solchen Ehen erhalten kaum Unterstützung und sind gefährdet. Wenn es gelingt, sie anzusprechen, können ganze Familien gewonnen werden. Herausforderungen und Risiken für Gemeindeglieder in Ehen mit nichtchristlichen Partnern:
Anstieg der Alleinstehenden
In allen Altersgruppen steigt der Anteil der Alleinstehenden, die besondere Aufmerksamkeit benötigen. Sie haben höhere Erwartungen an die Gemeinschaft, und die abnehmende Zahl gemeinschaftlicher Veranstaltungen trifft sie besonders hart. Für sie ist die Qualität des Gemeindelebens entscheidend. Wenn sie keinen „sozialen Raum“ innerhalb der Kirche finden, suchen sie ihn außerhalb, was zur Abwanderung führt.
Kleine Gemeinden benötigen besondere Betreuung
Aufgrund des Mitgliederschwunds steigt die Zahl kleiner Gemeinden. Die traditionelle adventistische Liturgie kann dort oft nicht mehr in einem gesunden Umfeld aufrechterhalten werden (z. B. Mangel an Pastoren, Musikern, Lehrern). Es bedarf pastoraler Unterstützung und neuer Liturgien, die weniger predigtzentriert und mehr gemeinschaftsorientiert sind (wie die sozialen Treffen im frühen Adventismus). Jede Gemeinde, egal wie klein, hat das Recht und die Notwendigkeit, einen erhebenden Gottesdienst in guter Atmosphäre zu erleben.
Wachsende Belastung der Gemeinden
Sowohl finanziell als auch in Bezug auf die Dienste lastet eine zunehmende Belastung auf den aktiven Mitgliedern. Dies führt zur Überlastung der engagiertesten Mitglieder, die sich schließlich zurückziehen. Wenn die Gemeinde dieses Problem nicht rechtzeitig angeht, verliert sie ihre wichtigsten Mitarbeiter. Strukturveränderungen, Ruhepausen für aktive Mitglieder und kontinuierliche Weiterbildung und Unterstützung können dem entgegenwirken. Auch die Umstrukturierung der Gemeindestruktur kann helfen.
Krise der Mission
Es zeigt sich, dass der Erfolg unserer Mission in der Vergangenheit oft von externen, günstigen Faktoren abhing (z. B. politische Veränderungen, wirtschaftliche Krisen, Erweckungsbewegungen). Darüber hinaus konnte die Kirche unter keinen Umständen ein nachhaltiges Wachstum erzielen. Es bedarf einer Neuausrichtung der Mission. Noch nie standen so viele Mittel, Ressourcen und Gelder für die Mission zur Verfügung wie heute, aber die Krise der Mission war noch nie so gravierend wie jetzt. In diesem Bereich haben die Leitungen aller drei untersuchten Länder sofortige Reformen und Umstrukturierungen durchgeführt.
Wachstum durch Mitgliederwanderung
Weniger als 10 % der Gemeinden wachsen durch missionarische Aktivitäten und Taufen. Das Wachstum resultiert meist aus dem Beitritt von Mitgliedern anderer Gemeinden, manchmal durch Abwerbung (z. B. größere Projekte, mehr Möglichkeiten, schönere Kirchen, bessere Musik). Es gibt auch Konkurrenzkämpfe innerhalb der Kirche um Mitglieder. Das Wachstum einer Gemeinde führt zum Rückgang einer anderen. In einigen Bezirken geht es ums Überleben.
Verzögerung und Einschränkung des Taufalters
Daten zeigen, dass sich junge Menschen zunehmend später (durchschnittlich zwei Jahre später) für die Taufe entscheiden. Dies könnte damit zusammenhängen, dass junge Menschen länger studieren und später erwachsen und erwerbstätig werden. Medienkonsum und Veränderungen im Gemeindeleben könnten ebenfalls Einfluss haben. Das Problem ist, dass dieses Phänomen nicht nur den Zeitraum der Taufentscheidungen nach hinten verschiebt, sondern auch einschränkt. Nach dem 22. Lebensjahr entscheiden sich nur noch wenige für die Taufe, und auch später treten nur selten neue Mitglieder in unsere Kirche ein. Daher verdient die Altersgruppe der 16- bis 22-Jährigen besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.
Rückgang der Gottesdienstbesuche
Selbst in Gemeinden mit wachsender Mitgliederzahl ist ein Rückgang der Gottesdienstbesuche zu verzeichnen. Dies deutet auf eine Veränderung der Bindung an den Gottesdienst hin. Nach COVID-19 bevorzugen einige weiterhin das Hören von Online-Predigten zu Hause. Für sie ist der Gottesdienst gleichbedeutend mit der Predigt. Dies stellt die Gemeinde vor ekklesiologische Herausforderungen. Welche Schritte führen zurück zu einem gesunden Gemeindeleben und -verständnis?
Fokus auf gesundes Gemeindeleben
Für lokale Gemeinden ist nicht mehr das Wachstum die dringendste Frage, sondern das Funktionieren, die Atmosphäre und die Qualität der Gemeinschaft. Die Frage nach der Gesundheit der Gemeinde lastet zunehmend auf den lokalen Gemeinschaften und verlangt nach Lösungen.
Lösungsvorschläge
In Österreich habe ich fünf Vorschläge für lokale Gemeinden und die Union formuliert:
Gezielte, auf Tatsachen basierende Planung anstelle traditioneller und intuitiver Leitungsstile. Neue Untersuchungen in besonders relevanten Bereichen, Einbindung von Fachleuten sowie gründliche Analyse der wichtigsten Fragen: Wie geschieht Bekehrung heute? Wie können geistliche Gaben deutlich effektiver entdeckt und eingebunden werden? Welche Möglichkeiten gibt es für zeitgemäße christliche Kommunikation? Wie lässt sich die Bibellese und das Interesse an geistlichen Programmen fördern?
Ich schließe meine Gedanken mit zwei Zitaten:
„Gebt mir hundert Männer und Frauen, die keine Angst haben – außer vor der Sünde – und die nach nichts anderem verlangen als nach Gott, und es ist mir völlig gleichgültig, ob sie ausgebildet oder Laien sind: sie werden allein die Tore der Hölle erschüttern und den Himmel auf die Erde bringen. Gott tut nichts Besonderes – außer, dass er Gebete erhört.“ John Wesley
„Sobald eine Gemeinde gegründet ist, soll der Pastor die Mitglieder zur Mitarbeit anleiten. Er soll mehr Zeit dem Lehren als dem Predigen widmen. Er soll den Menschen beibringen, wie sie das Licht, das sie empfangen haben, weitergeben können. Während man den Neubekehrten beibringt, den Rat der Erfahrenen zu suchen, muss man sie zugleich lehren, den Pastor nicht an die Stelle Gottes zu setzen.“ Ellen G. White, Zeugnisse Band 7, Seite 20
Dr. László Szabó