Zur Bachelorthese „Church-Life Balance- Eine quantitative Befragung zu Arbeitsbelastungen von Predigerinnen und Predigern“
Einleitung
Ein großes Möbelhaus führte vor kurzem eine Werbekampagne durch, die zum Nachdenken anregte. In einem der Werbespots sah man eine Selbsthilfegruppe fantastischer Wesen, darunter ein Astronaut, eine Fee, ein Monster und ein Superheld, die darüber klagten, dass die Menschen nicht mehr richtig schliefen und sie nun als Träume überflüssig geworden seien. Zum Schutze der Work-Life-Sleep Balance solle man doch ein neues Bett ebendieser Firma kaufen. Das hat mich zum Nachdenken angeregt. Die sogenannte Work-Life Balance kennt man - sie ist geradezu ein Modewort und der Schlachtruf einer ganzen Generation geworden. Doch der Gedanke, dass ein weiteres Element – hier der Schlaf - integriert werden kann, war für mich ein aufschlussreicher Gedanke. Es gibt mehr als nur das Offensichtliche. Mehr als Arbeiten und nicht arbeiten. Man kann nicht in einem Moment arbeiten, und im nächsten Augenblick alles ablegen und das Privatleben beginnen. Vor allem nicht als Pastor*in. Das kann auch gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Eggler schreibt:
„Laut Schendel (2017) haben 18 bis 20 Prozent der Predigerinnen und Prediger stress-bedingte Gesundheitsstörungen. Dabei spielen sowohl allgemeine Belastungsfaktoren (Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen) eine Rolle, wie auch berufsspezifische (ein Vorbild sein).“
Grundlegende Konzepte
Mit diesen Gedanken hat sich Nadja Eggler im Rahmen ihrer Bachelorarbeit an der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften im Jahr 2020 weiter befasst. In ihrem Werk, das den Titel „Church-Life Balance- Eine quantitative Befragung zu Arbeitsbelastungen von Predigerinnen und Predigern“ trägt, behandelt sie den Zusammenhang von Arbeitsbelastung und Gesundheit adventistischer Pastor*innen. Ihr Grundgedanke ist dabei, dass man zunächst wissen sollte, welche Belastungen im Arbeitsalltag tatsächlich eine negative Beanspruchung im Sinne einer Last sind, um den negativen Auswirkungen präventiv gegenübertreten zu können. Pate für diese Idee standen das Belastung-Beanspruchungs-Konzept von Rohmert, sowie das transaktionale Stressmodell von Lazarus. Das Belastungs-Beanspruchungsmodell geht davon aus, dass es zunächst einen neutralen Einfluss gibt, der auch als Belastung bezeichnet wird. Erst im nächsten Schritt wird durch Verarbeitung dieser neutralen Belastung eine Wertigkeit gegeben.
Das transaktionale Stressmodell von Lazarus (1991) beschreibt, wie es zu einer Stressreaktion kommen kann. Zunächst erfolgt eine primäre Einschätzung einer Situation als irrelevant, gefährlich, oder positiv. Auch nach der Einschätzung kommt es laut Lazarus noch nicht unmittelbar zu Stress, denn zusätzlich werden in einem zweiten Handlungsschritt noch die eigenen Ressourcen eingeschätzt. Diese sind entweder ausreichend oder mangelhaft. Nur, wenn die Situation als gefährlich und die eigenen Ressourcen als mangelhaft eingeschätzt werden, wird eine Stress-Reaktion ausgelöst.
Die Forschungsfragen, die sich aus diesen Überlegungen ergeben, formuliert Eggler sehr konkret:
1. Welche psychischen Belastungen nehmen die befragten Predigerinnen und Prediger als negative Beanspruchung wahr?
2. Wie gehen die befragten Predigerinnen und Prediger mit diesen negativen Beanspruchungen um?
Methodik
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, gewann Eggler 103 Probandinnen und Probanden aus der Pastorenschaft der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Österreich, der Schweiz und Deutschland. Zur Befragung wurde ein selbst erstellter und an einem Testsample pilotierter, standardisierter Fragebogen verwendet. Dieser Fragebogen wurde an 103 Personen verschickt. Die Rücklaufquote lag bei 45%, sodass zuletzt 46 gültige Interviews zur Analyse vorlagen.
Der Fragebogen bestand aus Fragen zu acht Teilbereichen: Allgemeine Fragen zum Wohlbefinden und dem Gesundheitszustand, Items aus den Burnout-Screening Skalen von Geuenich und Hagemann (2014), Fragen zu Arbeitsbelastungen mit negativer Beanspruchung, Fragen zu Arbeitsbelastungen mit positiver oder negativer Beanspruchung, Fragen zu privaten Belastungen, Fragen zu geistlicher Trockenheit, Offene Fragen zu Bewältigungsstrategien, sowie Soziodemographische Angaben
Ergebnisse
Zum Gesundheitszustand der Pastor*innen schreibt Eggler:
„Die Befragten haben ihren Gesundheitszustand im Allgemeinen als gut oder sehr gut (81%) eingeschätzt, wobei 20 % ihren Gesundheitszustand als mittelmäßig bezeichnen würden. Niemand hat seinen Gesundheitszustand als schlecht oder sehr schlecht eingeschätzt. Über 90% der Befragten kamen mindestens einmal pro Woche durch körperliche Aktivität ins Schwitzen.“
Bezüglich des Ausmaßes der Belastung, zeigte sich, dass nicht alle Belastungen, die in der Literatur vorkommen, tatsächlich im täglichen Leben der Pastor*innen von Bedeutung sind. Fast die Hälfte der untersuchten Belastungen sind für die Pastor*innen nicht in hohem Maße relevant. Dafür herrscht aber große Übereinstimmung darin, welches die negativsten Beanspruchungen darstellen.
Die negativsten Beanspruchungen von den untersuchten, relevanten Belastungen waren für die Befragten die folgenden:
Die Predigerinnen und Prediger zwischen 31-45 Jahren gaben die meisten negativen Beanspruchungen an. Außerdem zeigte sich, dass schweizerische Befragte weniger negativ beansprucht sind als deutsche Befragte und diese wiederum weniger als die österreichischen Befragten. Außerdem sind oft, aber nicht immer die Befragten mit einem guten allgemeinen Gesundheitszustand und guter körperlicher Aktivität im Vergleich weniger beansprucht.
Bewältigungsstrategien
Die wichtigsten Bewältigungsstrategien sind für die Befragten Gespräche mit anderen (vor allem Ehepartnern), das Gebet und Bibellesen, eine positive Grundhaltung sowie körperliche Aktivität.
Prävention
Es ist wünschenswert, dass die vorliegenden Ergebnisse zum Erstellen einer Präventionsstrategie gegen Burnout und chronische Belastung der Prediger*innen verwendet werden. Eggler gibt dazu ganz konkrete Vorschläge:
„Zum einen sollten dabei die Bewältigungsstrategien der Predigerinnen und Prediger gestärkt werden. Zum anderen sollten die Dienststellen ihr Angebot für Supervision und Weiterbildungen ausbauen und für die Predigerinnen und Prediger zugänglicher machen. Außerdem sollten die Dienststellen die Predigerinnen und Prediger mit einer Anpassung und Verbesserung ihrer Kommunikation unterstützen. Konkret sollte dabei das Interesse an der Arbeit der Predigerinnen und Prediger gezeigt werden. Wichtig scheint den Befragten auch die Ermutigung von der Dienststelle. Weiter sollten Predigerinnen und Prediger dazu ermutigt werden körperlich aktiv zu sein. Generell sollte darauf geachtet werden, die Quantität der Arbeit und vor allem der Verwaltungstätigkeiten auf die nötigen Aufgaben zu beschränken.“
Schlussbemerkungen
Es ist ein Vorrecht, dass adventistische Predigerinnen und Prediger in der Schweiz, Deutschland und Österreich als relativ kleine Zielgruppe solch eine umfangreiche Erforschung erfahren. Als stark beanspruchter Berufszweig ist ihnen zu wünschen, dass sie gemeinsam mit ihren Vorgesetzten aus diesen Ergebnissen proaktive Lösungen entwickeln und wissenschaftsgeleitetes Handeln erleben können, damit die Gesundheit im eigentlichen Sinne erhalten und gefördert werden kann. Für eine bessere Work-Life-Pastor-Balance
Lazarus, R. S. (1991). Emotion and Adaptation. New York: Oxford University Pres.
Rohmert, W. (1984). Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept. Zeitschrift für Arbeits-wissenschaften, 4(38), 193–200.
Schendel, G. (2017). Eine beeindruckende Befragung – eine Chance zum Vergleich. Zeitschrift für Pastoraltheologie, 37. Jahrgang (1), 18.