Der missionarische Aspekt des Pastorenberufs

  • Der missionarische Aspekt des Pastorenberufs

    Der missionarische Aspekt des Pastorenberufs

     

    Ein klares Nein ist nicht nur bei Jugendlichen oft die Antwort auf die Frage, ob sie sich es vorstellen könnten, als Pastor zu arbeiten. Wird  die Person nach dem Grund gefragt, sieht man entweder ein vielsagendes Lächeln auf dem Gesicht oder Gründe werden dafür aufgelistet. Auf jeden Fall kann man merken, dass der Beruf Pastor für viele kein Erfolg versprechendes Ziel zu sein scheint.

     

    Der Rollenkonflikt und seine Folgen

    Die Antworten auf diese Frage zeigen auch, dass die Arbeit des Pastors sehr vielseitig ist und die unterschiedlichen Bereiche verschieden wahrgenommen und gewichtet werden. Sei es Konfliktmanagement, Predigen, Leitungsaufgaben, Organisation, Jugendarbeit – sie können zu einem Rollenkonflikt beitragen, der von Pastoren oft erlebt wird. Verschiedene, einander oft widersprechende und dadurch unerfüllbare Erwartungen werden an den Pastor gestellt. Neben dem Verband und der Vereinigung wissen auch die Kinder, Jugendlichen, Familien, Eltern, Alleinstehende, Ältere, Kranke, Besucher, aber ebenso die eigene Familie, was der Prediger für sie tun kann. Am Ende bildet jeder seine Meinung über den Prediger gemäß dem Kriterium, wie er seine Erwartungen erfüllen kann. Der Pastor kann es zwar versuchen, zwischen den Erwartungen so zu balancieren, dass möglichst viele von ihnen erfüllt werden, doch eine Chance auf vollkommenen Erfolg hat er kaum, aber desto mehr – laut einigen Untersuchungen – auf ein Burnout. Zu dem Rollenkonflikt kommen noch Umzüge, begrenzte Erfolgsmöglichkeiten, Kritik und mangelnde Anerkennung, was es insgesamt einfach schafft, einem die Lust zu diesem Beruf zu nehmen. Er ist eine echte Herausforderung. Warum wird dann überhaupt noch jemand Prediger?

     

    Der missionarische Aspekt

    Es gibt Aspekte in seinem Dienst, die nicht immer sichtbar erscheinen, aber diese Berufung unheimlich bereichern. Unter ihnen ist auch der missionarische Aspekt. Oft werden seine Folgen gar nicht mit dem Dienst des Predigers in Zusammenhang gebracht, aber er kann doch ein großer Gewinn und ein Erfolgserlebnis für ihn sein. Mir fallen Ereignisse aus meinem eigenen Dienst ein, die dies bestätigen.

    Eines nachts habe ich mit einem Drogensüchtigen gebetet. Dieses Gebet war ein neuer Anfang für ihn. Sein ganzes Leben hat sich verändert, als das Beten ihn zu Gott führte. Das Gespräch begann in einer Kneipe und endete in der Nacht auf den Knien in der Gemeinde. Ihn bis zur Taufe zu begleiten, eine Familie gründen zu sehen, war für mich ein großartiges Erlebnis.

    Eine Kindersegnung mag für viele nur eine Zeremonie sein. Als ich aber kürzlich eine solche Segnung durchführte, musste ich mit den Tränen kämpfen. Ich stand da mit dem Kleinen in der Hand und dachte an eine Vergangenheit zurück, die den meisten völlig unbekannt war. Mit einem Ältesten hatten wir für die Frau viel gearbeitet, bis sie den Weg zu einer neuen Lebensperspektive mit wahren Werten fand – und auch in die Gemeinde. Später heiratete sie, und ich durfte sie trauen und jetzt sogar ihren Sohn in der Hand halten. Ich kannte ihre Vergangenheit, die sie hinter sich gelassen hatte. Die neue Realität ihres Lebens mit Gott überwältigte mich beinahe. Der Unterschied war faszinierend!

    Als Prediger habe ich im Dienst erfahren, dass meine Berufung viel mehr ist als Konfliktmanagement, Predigen und ähnliches. Ungeahnte Möglichkeiten und Weiten erscheinen in der Arbeit und der Prediger entdeckt, dass auch heute noch geschieht, was Johannes von Jesus über seinen Dienst in seinem Evangelium aufzeichnete: „Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben“ (Joh 10,10). Das Leben im Überfluss bedeutet Kraft für die Schwachen, Vergebung für die Sünder, einen neuen Anfang für zerbrochenes Leben, Frieden in der Unruhe und sogar Hoffnung für Sterbende. Wo dieser Überfluss erlebt und weitergegeben wird, wird die Arbeit eines Predigers sinnvoll und unvergleichbar reich.

     

    Am Anfang war die Mission

    Der Dienst am Menschen, die Mission, wie Jesus sie verstand, ist lebenswichtig sowohl für die Gemeinde als auch für den Prediger. Sie zu vernachlässigen hat schwerwiegende Folgen. Der missionarische Aspekt des Dienstes ist nicht nur eine Herausforderung – wie viele denken –, sondern auch eine Quelle der Begeisterung und Kraft. Eigentlich hat die Mission die Gemeinde ins Leben gerufen, und dadurch gehört sie ja zu dem Wesen der Gemeinde. Jesus hat als erstes, vor der Gründung der neutestamentlichen Gemeinde, Missionare ausgebildet, damit sie das Reich Gottes verkündigen, das neue Leben in der Nähe Gottes mit Wort und Tat bezeugen und den Menschen eine bessere Alternative für ihr Leben zeigen. Das Neue Testament ist eine Missionsschrift, denn seine Schreiber waren nicht Theoretiker, die zurückgezogen und abgesondert von der Gesellschaft lebten und ihre spirituelle Nöte pflegten –  sondern wie Martin Kähler es sagt: Sie waren tatkräftige Missionare, die geschrieben haben, weil die Kirche in dem Kampf mit der Umwelt es brauchte.

     

    Die Mission – der Ausdruck des alltäglichen Gemeindelebens

    Der Dienst an Menschen war für die Apostel und für die Gemeinde nicht nur eine Tätigkeit von vielen. Heinrich Kasting schreibt es treffend: Er war der Ausdruck des alltäglichen Gemeindelebens. Besonders bei Paulus ist es erkennbar, dass er reist, besucht, verkündigt, singt, betet und schreibt, weil er diesen „Überfluss des Lebens“ nicht für sich selber behalten kann, sondern auch andere zum Überfluss der Freude, Dankbarkeit und zu einer neuen Lebensqualität führen will. Dadurch sind viele Schriften des Neuen Testaments entstanden, und die Gemeinden wuchsen in Lebensqualität und dadurch auch in Zahlen, trotz Stolperns und Herausforderungen.

    Auch die Adventgemeinde legte am Anfang sehr viel Wert auf diesen Dienst. James White, Ellen White, Arthur Daniells und viele andere Leiter publizierten, predigten und schrieben Tausende von persönlichen Briefen an Prediger und Gemeindeglieder, damit sie die missionarischen Aspekte des Gemeindelebens entdecken und entfalten. Arthur Daniells sah als Vorsteher der Generalkonferenz das Geheimnis des schnellen Wachstums der Adventgemeinde und der spürbaren Begeisterung in der Gemeinschaft darin, dass die adventistischen Prediger im Vergleich zu anderen Kirchen viel weniger Last für die Aufrechterhaltung von Ortsgemeinden trugen. Der missionarische Aspekt des Dienstes stand im Vordergrund des Predigerdienstes.

    David Bosch sagt, dass die Kirche, aber auch die Theologie in der Mission geboren wurden, und genau deswegen hat es schwerwiegende Konsequenzen, wenn sie ihrem Ursprung und ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht wird. Das Sterben der Gemeinde beginnt dort, wo dieses Wachsen zum „Überfluss des Lebens“ hin scheitert, wo die Mission versagt, der Dienst in der Gemeinde ziellos nur die Erhaltung vor Augen hat. Dadurch wird der Prediger zum Verwalter gemacht, der versucht in allen Ecken des Gemeindelebens den an ihn herangetragenen Erwartungen gerecht zu werden. Dadurch verliert diese Berufung etwas von ihrer Anziehungskraft und Schönheit, und so entsteht die Burnout-Gefahr.

     

    Die Vielfalt der Mission

    Mission ist nicht einseitig auf Vorträge oder wenige Tätigkeiten zu beschränken, wie es viele denken. Oft werden ein paar Bibeltexte als Grundlage für Mission ausgewählt und einzelne Aktionen oder einseitige Methoden dadurch begründet. Die Schreiber des Neuen Testaments sind ziemlich einig, wenn es um die missionarische Sendung der Gemeinde geht, dass sie ihre Aufgabe ist. Wenn sie aber zu beleuchten beginnen, was Mission ist, treffen wir eine unglaubliche Vielfalt an. Wie überwältigend der Reichtum des missionarischen Aspekts im Neuen Testament ist, wird von Rudolf Pesch sehr gut geschildert. Er listet nicht weniger als 95 (!) griechische Begriffe auf, die sich auf die Mission beziehen und sie von verschiedenen Seiten her erhellen und bezeugen. Diese Vielfalt zeigt klar, dass es der Missionsvorstellung des Neuen Testaments völlig fremd ist, dass nur bestimmte Methoden und Aktivitäten als „Mission“ wahrgenommen werden sollten. Dagegen argumentiert Paulus in 1. Korinther 12 dafür, dass die Gemeindeglieder, zu denen ja auch der Pastor gehört, unterschiedliche Gaben und Fähigkeiten erhalten haben und demgemäß auch Dienste und Aktionen ganz unterschiedlich sein können, so wie es von Gott geplant ist. Dadurch wird das Leben in der Gemeinde vielfältig, spannend, abwechslungsreich und „das Leben in Überfluss“, wie Jesus das meinte, spürbar.

     

    Wachstum durch Multiplikation

    Dieser Reichtum im Dienst zeigt, dass hier nicht mehr nur der Prediger gefragt ist, sondern die ganze Gemeinde. Gott hat an jeden gedacht, jedem Fähigkeiten verliehen und jeder ist gebraucht. Damit kein Chaos entsteht und jeder auch seine Stelle in der Gemeinschaft und im Dienst finden kann, hat Gott einige als Koordinator, Leiter berufen. Laut Epheser 4 ist es ihre Aufgabe andere zuzurüsten. Das griechische Wort, das in Epheser 4,12 für „Zurüstung“ steht, bedeutet in der Verbform viel mehr: In den ursprünglichen Zustand setzten, für den Dienst brauchbar machen, bereitstellen. Das Wort bezieht sich auf die Gemeinde und dadurch eröffnet sich eine neue Ebene in der Berufung des Predigers. Wenn diese Multiplikation geschieht und dadurch auch andere dazu „zugerüstet“ werden, dass auch sie „das Leben in Überfluss“ weitergeben können, erlebt der Prediger, dass sich die Effektivität, das Ausmaß seiner Wirkung multipliziert wird. Wo er sich früher im Dienst alleine fühlte, sind Dutzende, die andere ermutigen, die Nöte wahrnehmen, zur Hoffnung verhelfen und lieben können. Die Gemeinde wird authentisch, anziehend, und der Glaube wächst. Am Ende erlebt sie, dass Gemeindeglieder erneut ins Taufwasser steigen, nicht um noch einmal getauft zu werden, sondern weil sie ihre Freunde zu Jesus gebracht haben und taufen möchten. Wo das geschieht, finden Prediger ihren Dienst so bereichernd, erfolgsvermittelnd, dass nichts sie von ihrer Berufung abwenden kann. Es ist Zeit, den missionarischen Aspekt des Pastorendienstes und des Gemeindelebens wieder zu entdecken und entfalten. Nicht nur die Prediger benötigen das.

     


     
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