Zur Masterthese „Mission mit und unter Gehörlosen“

  • Zur Masterthese „Mission mit und unter Gehörlosen“

    Zur Masterthese "Mission mit und unter Gehörlosen"

    von Bastian Bak

     

    Mit der Masterthese „Mission mit und unter Gehörlosen“ war es ein Anliegen, für Deutschland eine kulturorientierte missionarisch kirchliche Arbeit im Bereich der Gehörlosen zu konzipieren. Aus meiner Biographie als CODA (Children of Deaf Adults bzw. Kind gehörloser Eltern) heraus konnte ich Einsichten in die Gehörlosenkultur und ihre Besonderheiten in die Arbeit mit einfließen lassen. Insbesondere die jüngsten Entwicklungen aus dem sogenannten Deaf Empowerment sowie dringliche Aspekte der Inklusion aus der Soziologie befreiten das vom Audismus (Diskriminierung Gehörgeschädigter) geprägte Bild der Gehörlosen. Der gehörlose Mensch ist nun nicht mehr eine hilfsbedürftige, befremdliche Randfigur, die ein Unbehagen auslöst oder einen Helferzwang hervorruft, sondern ein selbstbewusstes, fähiges Individuum, das aufgrund seiner Konstitution und seine Gebärdensprachkompetenz als Experte seiner Kultur zu begreifen ist. Der gehörlose Mensch ist nicht mehr ein Empfänger von Lehre und Hilfe, sondern ein Lehrender und Helfer für die der Gehörlosenkultur Ohnmächtigen.

    Von dieser Warte aus wird das Fundament für die gesamte Arbeit gelegt. Über eine historische Analyse der mehr als ein Jahrhundert alten Gehörlosenmission der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten und der Erarbeitung missionstheoretischer Grundlagen im Hinblick auf die Stärken und Besonderheiten der Gehörlosenkultur sowie unter dem Einfluss bereits vorhandener Gehörlosentheologie entsteht schlussendlich ein Konzept einer Gehörlosenmission mit starkem Gegenwartsbezug für Deutschland. Die historische Analyse macht uns auf die wirksamen Faktoren aufmerksam, die sich insbesondere im Engagement von Dolmetschenden und der Anerkennung von gehörlosen Mitarbeitern zeigen. So wurde zum Beispiel ein gehörloser Mann als Evangelist für Deutschland beauftragt, der viele Gehörlose erreicht hat und damit ein starkes Wachstum der Gehörlosengemeinschaft verbucht hatte.

    Die theologische Untermauerung der Konzeption rührt in erster Linie von der Perzeption der Deaf Liberation Theology von Hannah Lewis, einer gehörlosen Theologin aus Großbritannien, und auch von anderen deutschen theologischen Arbeiten aus dem evangelischen Bereich. Aus diesen Arbeiten geht deutlich hervor, dass das Evangelium für Gehörlose vor allem darin besteht, aus dem Audimus befreit zu werden und daraus resultierend eigene theologische Konstrukte menschlichen Daseins zu formulieren. Das wird deutlich, wenn Theologie als persönliche Antwort auf das Reden und Handeln Gottes verstanden wird. So zum Beispiel geht es im Gottesdienst nicht mehr nur darum, die gesungenen Lieder schlicht in Gebärdensprache zu übersetzen, sondern viel mehr die musischen Eigenschaften der Gebärdensprache als Ursprung und Form des Lobpreises anzuerkennen und zu fördern. Vor allem aber spielt die soziale Dimension, die Gehörlosengemeinschaft, eine zentrale Rolle. Sie ist die Antwort auf die gesellschaftliche Einsamkeit als Gehörloser unter Hörenden. Hier greifen auch verschiedenen Ebenen der sogenannten Diaspora Mission, die sich im Dienst an, für, mit und unter einem kulturellen Teil der Gesellschaft äußert. Die höchste Qualität des Dienstes am Gehörlosen ist demnach nicht der Dienst an oder für Gehörlose, der sich beispielsweise im Dolmetschen zeigt, sondern im Dienst mit den Gehörlosen, in dem der gehörlose Mensch als ebenbürtiges, kollegiales Teammitglied gesehen und respektiert wird.

    Diese Erkenntnis ist unerlässlich für eine gegenwartsorientierte Gehörlosenmission und prägt auch meine Haltung im Dienst als Pastor. Sie drückt das aus, was unsere Gesellschaft Jahrtausende lang missachtet hat: der gehörlose Mensch ist vollkommen und heil!